Praesit Piscibus Maris

Ein Bildbericht zum Fischsterben an Münster's Aasee
veröffentlicht am 20. August 2018

Als wäre nichts gewesen: So präsentiert sich Münster's Aasee in den Abendstunden am Samstag, den 11. August 2018. Spazier­gänger sind unter­wegs. Jogger. Hundler. Grillen und chillen. An den Kugeln. Auf den Böschungen. Sehen und gesehen werden. Möven sind da. Enten. Bless­hühner. Alles wie gewohnt. Wenn nur nicht dieser Gestank wäre, der einem stellenweise in die Nase steigt. Die Ursache dafür ist schnell gefunden. Unten direkt am Ufer des Sees. Es sind tote Fische. Wenn auch nicht mehr so viele wie in den Tagen zuvor.

Anfang der Woche lag der Sauerstoffgehalt des Wassers nach Messungen des städtischen Umweltamts bei über­durch­schnittlich hohen Werten von 12 bis 14 mg O2/l [1]. Am Mittwoch, den 8. August 2018, lautete die Prognose auch noch, dass ein Fisch­sterben nicht zu erwarten ist [2]. In der Nacht von Mittwoch auf Donnerstag ist die Sauerstoffkonzentration des Aasees jedoch rapide und angeblich nicht vorhersehbar auf nur noch 3 mg O2/l gesunken [3]. Am darauf folgenden Freitag wurden sogar nur 2 mg O2/l gemessen [4]. Zu wenig für die Fische [5]. Alle verfügbaren Strategien der Fische bis hin zur Notatmung [6] haben nichts genützt. Sie sind erstickt.

Ein Augenzeuge, der das Fischsterben während seiner morgendlichen Joggingrunde um den Aasee miterlebt hat, wird die Bilder vom einstündigen Todes­kampf der Fische nach eigenem Bekunden nie mehr los [7]. Geschätzt wird, dass 80% der Fische im Aasee erstickt sind. 20 Tonnen. Große wie kleine Fische. Vor allem Güster, Hechte, Zander und Karpfen [4]. Mit Keschern und Saugwagen aus dem Wasser geholt, in Containern gesammelt und von den Abfallwirtschaftsbetrieben Münster zu einem Tierkörperbeseitigungsbetrieb in Lünen gebracht [8, 9]. Selbst überregional wurde über das Fischsterben berichtet [10].

In einem Interview im WDR vom 10. August 2018 konstatierte der Vorsitzende des Landesfischereiverbands Westfalen und Lippe e.V.: "Vor allen Dingen ist man so emotional dadurch, dass das Fische sind, die man selbst geangelt hat, die man selbst gerne fangen wollte und mochte, und jetzt sowas, wie dort vorgekommen ist, trifft mich ganz tief in meiner Seele." [11] Und an anderer Stelle beklagt der zugleich 2. Vorsitzender des Vereins für Fischerei und Gewässerschutz "Frühauf" Münster 1922 e.V., dass das Fischsterben für den Verein eine Katastrophe sei, weil der Verein nun "sein Wohnzimmer verloren" habe [12].

Erfreulicherweise konnten Mitglieder des Vereins am Freitagabend (10.08.) noch lebende Fische im neuen Teil des Aasees beobach­ten. Um zu retten, was noch zu retten ist, wurden daraufhin zwei, von den Feuerwehren Münster und Emsdetten betriebene Hoch­leistungs­pumpen in Betrieb genom­men: eine größere am Segelclub Hansa, eine kleinere auf der Seite beim Mühlenhof. Insgesamt 3,5 Millionen Liter Wasser pro Stunde wurden zur Rettung des Fischbestands in den folgenden Tagen 24 Stunden lang in den Aasee gespritzt [2, 13]. Zur Mitte der Folgewoche hat sich der Sauer­stoff­gehalt des Sees wieder auf 13 bis 14 mg O2/l stabilisiert [14], vermutlich auch deshalb, weil sich das Wetter zwischenzeitlich wieder etwas 'normalisiert' hatte [15].

Zeitgleich startete die öffentliche Diskussion der Schuldfrage [16, 17]. Der derzeitige Oberbürgermeister der Stadt hat dafür plädiert, eine "Taskforce" mit wissen­schaft­lichen Kräften aus dem Hochschulbereich ins Leben zu rufen, um zu ergründen, wie eine derartige Katastrophe in Zukunft ver­hin­dert werden kann. Er selbst fühle sich jedenfalls nicht "in der Lage zu beurteilen, ob die Katastrophe hätte ver­hin­dert werden können" [18]. Die Landwirtschaft hat bereits am 15.08.2018 in einem Brief an den Umweltdezernenten der Stadt Münster ihre Bereitschaft zur Mitarbeit an der geplanten Taskforce signalisiert [19]

Wie komplex die Materie allein aus ökologischer Sicht ist, verdeutlicht ein Interview mit Prof. Dr. Elisabeth Meyer vom Institut für Evolution und Bio­diver­sität, Abteilung für Limnologie der Universität Münster [20]. Darin ist die Rede von Grünalgen und Blaualgen, von Phytoplankton und Zoo­plank­ton, von Biomasseproduktion, interner Düngung und externer Nährstoffzufuhr. Es geht um Zuckmückenlarven, Schlammröhrenwürmer, um das Verhältnis von Raubfischen zu Friedfischen und darum, wie die biologischen Prozesse zusammenhängen und worin die Unterschiede zwischen natürlichen und künstlichen Gewässern wie dem künstlich aufgestauten Aasee liegen.

In dem Interview empfiehlt die Wissenschaftlerin einen runden Tisch aus städtischen Behörden, Landwirtschaft, Naturschutz, Fischerei und Fachwissenschaft und mit Blick auf die Zukunft des Aasees ein "nachhaltiges, biologisches Management" unter Berücksichtigung der Klimaentwicklung, ohne allerdings zu sagen, was mit "nachhaltig" genau gemeint ist.

Interessant ist der Umstand, dass die Problematik bereits seit 20 Jahren bekannt ist. In einer seinerzeit durch die Stadt Münster im Rahmen des "Aasee-Forschungsprojektes" geförderten Dissertation aus dem Jahr 1999 heißt es ganz am Ende in der Zusammenfassung:

"Als Alarmzeichen für die besonders kritische Situation, in der sich der Münstersche Aasee befindet, müssen neben den Vergiftungs­symptomen vor allem die zeitweilig auftretenden Sauerstoffdefizite gewertet werden. Ein 'Umkippen' des Aasees als negatives Endstadium muß prinzipiell in jedem Sommer befürchtet werden. Daß dies bisher noch nicht eintrat, verdankt der 'Patient Aasee' vermutlich zwei Phänomenen: Zum einen wirken sich extrem hohe pH-Werte, wie sie in den Sommermonaten vorgefunden wurden, hemmend auf die Destruktions­prozesse aus. Zum anderen ist dies darauf zurückzuführen, daß in Phasen höherer Niederschläge der Wasserkörper des Aasees immer wieder erneuert wird." [21]

Angesichts dieser Erkenntnisse wurden seinerzeit zahlreiche Vorschläge zur grundlegenden Sanierung und Aufwertung des Aasees erarbeitet. Umgerechnet 25 Millionen Euro wurden damals für die Umsetzung dieser Maßnahmen kalkuliert, eine Größenordnung, die politisch jedoch nicht mehrheitsfähig war [17].

Bleibt zu hoffen, dass das, was 2018 – 20 Jahre später – nach dem erstmaligen Kollaps des Sees und dem großen Fischsterben an Maßnahmen erarbeitet, beschlossen und umgesetzt wird, dieses Mal für Mensch und Natur 'enkel­tauglich' ist und die Stadt Münster so ihrer Auszeichnung gerecht wird, die sie Anfang August 2018 erhalten hat: die Auszeichnung als Deutschlands "Nachhaltigste Großstadt 2019".

Man darf gespannt sein.

Aufnahmedaten der Bilder

Aufnahmedatum: 11./13. August 2018
Location: Aasee, Münster
Koordinaten: 51.949444, 7.603514
Kamera: Sony RX10 III

Quellen

[1] msl24.de > Münster: Fische sterben im Aasee – 20 Tonnen tote Tiere – Blaualgen ein Problem
[2] Münstersche Zeitung vom 8. August 2018: Gewässer in kritischem Zustand – Bislang in Münster kein Fischsterben erwartet
[3] Münstersche Zeitung vom 9. August 2018: Aasee Münster – Hitze sorgt für massives Fischsterben
[4] Münstersche Zeitung vom 10. August 2018: Dramatischer Sauerstoffmangel – 80 Prozent der Fische sind verendet
[5] velda.de > Sauerstoffgehalt Teichwasser
[6] Youtube: Oase TV Wissen: Atemnot im Gartenteich
[7] Münstersche Zeitung vom 15. August 2018: Bericht eines Augenzeugen – Der Moment, als die Fische starben
[8] Pressemitteilung der Stadt Münster vom 10.08.2018: Mehr als 20 Tonnen Fische verendet. Experten einig: Fischsterben war nicht vorhersehbar / Krisenstab tagte
[9] Münstersche Zeitung vom 14.08.2018: Lage am und im Aasee noch kritisch. Nach Fischen sterben erste Vögel
[10] Spiegel · SüddeutschStern
[11] Beitrag 'Großes Fischsterben im Aasee' in der WDR Lokalzeit vom 10.08.2018
[12] Münstersche Zeitung vom 12. August 2018: Lagebericht zum Fischsterben im Aasee – "Es ist nicht mehr viel Leben drin"
[13] Pressemitteilung der Stadt Münster vom 11.08.2018: Pumpen spritzen seit Freitagabend stündlich 3,5 Mio. Liter Wasser in den Aasee. Am Samstag wurden kleinere Mengen toter Fische eingesammelt
[14] wetteronline.de > Wetter im Rückblick > Wetterstation Münster/Osnabrück Flugh.
[15] Münstersche Zeitung vom 16.08.2018: Messungen der Stadt. Sauerstoffwerte im Aasee "stabil"
[16] Münstersche Zeitung vom 18.08.2018: Wer ohne Schuld ist: Umweltdezernent Peck stellt sich der Kritik
[17] Beitrag von Thomas Hölscher vom 15.08.2018 auf AllesMuenster.de: Aasee produziert wieder Sauerstoff. Hochleistungspumpen am Mühlenhof und Segelclub Hansa werden abgestellt
[18] Münstersche Zeitung vom 15.08.2018: Aasee: Lewe will Experten einschalten. Tiersterben alarmiert die Politik: Task Force wird gebildet
[19] Pressemeldung des Westfälisch-Lippischen Landwirtschaftsverband e. V. vom 15.08.2018
[20] uni-muenster.de > Interview mit der Limnologin Prof. Dr. Elisabeth Meyer über das Fischsterben im Aasee vom 14.08.2018
[21] Martin Vest (1999): Auswirkungen städtischer und ländlicher Einflußnahmen auf ein urbanes (Still-) Gewässer, dargestellt am Beispiel des Aasees in Münster (Westf.), Landschaftsverband Westfalen-Lippe. Dissertation aus dem Institut für Zoophysiologie der Universität Münster, S. 105; PDF-Datei bereitgestellt von LWL.ORG

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